Im Rahmen der politischen Neuordnung nach der Bundestagswahl wurde in den letzten Monaten zunehmend betont, man werde künftig mehr in Smart Grids investieren. Doch was genau heißt Smart Grid eigentlich und welche Möglichkeiten bietet es dem Endverbraucher?
Ein intelligentes Stromnetz, das mitdenkt
Smart Grid steht für ein Stromnetz, das dem Netzbetreiber die notwendigen Informationen liefert, um die Stromversorgung und die Stromeinspeisung zu optimieren. Dank Smart Grid kann der Netzbetreiber die ungleichen Verbraucher und Erzeuger besser verteilen, so dass das Netz stabil bleibt und Energie effizienter genutzt wird. Dafür benötigt er Informationen über den Strombedarf der Verbraucher einerseits und über die prognostizierten Strommengen im Netz andererseits. Damit dies gelingt, vernetzen sich alle Verbraucher und Erzeuger und tauschen verbrauchsrelevante Informationen aus. Dies ist bei den Erneuerbaren Energien besonders wichtig, da wetter- und tageszeitabhängige Schwankungen in der Erzeugung die Netze unterschiedlich stark belasten. Wird dem Netz zu viel Strom zugeführt, muss die Einspeisung der energieerzeugenden Anlagen mitunter gedrosselt oder zwischengespeichert werden. Außerdem – und dies ist im Wesentlichen das „Smarte“ am Smart Grid – können energieintensive Prozesse wie zum Beispiel die Warmwasserbereitung, Waschen und Spülen in Zeitfenster geschoben werden, in denen die Erneuerbaren besonders viel umweltfreundlichen Strom produzieren. Anreiz für den Endverbraucher, ihren Verbrauch in Zeiten mit höheren Stromkapazitäten zu verschieben, können günstigere Tarife (Smart Market) sein.
Smart Grid ist nicht gleich Smart Grid: die unterschiedlichen Spannungsebenen
Die Steuerung der Stromversorgung erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen. Netzbetreiber und Energieversorger kommunizieren je nach Spannungsebene mit Kraftwerken (Höchstspannung), Ballungszentren und Industriegebieten (Hochspannung), Regionen (Mittelspannung) oder kleineren Betrieben und Haushalten (Niederspannung). So kann ein sogenanntes (Kombi-)Kraftwerk innerhalb des Niederspannungsnetzes beispielsweise mit Smart Grid den gesamten Verbrauch und die Erzeugung aufeinander abstimmen und so die stochastischen Schwankungen bei der Energieerzeugung durch Erneuerbare Energien kompensieren. Das Forschungsprojekt Kombikraftwerk2 [1] – ein regeneratives Kombikraftwerk – zeigt, wie ein Verbund dezentraler Kraftwerke grundlegend arbeiten: Verschiedene kleinere dezentrale Kraftwerke wie Wind-, Solar- und Biogasanlagen sowie Pumpspeicherkraftwerken werden durch eine zentrale Steuerungseinheit miteinander verbunden. Die Steuerung vergleicht den prognostizierten Verbrauch mit der laut Wetterdienst möglichen Strommenge und rechnet diese Daten gegeneinander auf. Der zugeführte Strom der einzelnen Anlagen wird dann minutengenau an den Bedarf angepasst und entsprechend gedrosselt oder erhöht. Eine solche Steuerung erleichtert bereits auf kleinerer Ebene – das Kraftwerk simuliert die Versorgung von 12.000 Haushalten – die Optimierung der Steuerung auf der nächsten Spannungsebene, da eine geringere Zahl von Verbrauchern aufeinander abgestimmt werden muss. Der Schlüssel zur effizienten Regelbarkeit im Großen ist folglich generell die Messbarkeit im Kleinen.
Grafik 1: Virtuelle Kraftwerke optimieren den Wärme- und Stromverbrauch auf kleinerer Ebene.
Mehrwert für den Verbraucher: Smart Grid als bottom-to-top-Optimierung
Im Unterschied zu den heutigen Tarifen, die sich im Wesentlichen auf Tag- und Nachttarife beschränken, werden über Smart Meter unterschiedliche Tarife über den Tag angeboten. Diese Tarife setzen sich aus den aktuellen Strompreisen der Energieversorger zusammen. Fällt zur Mittagszeit bei hoher PV-Strahlung viel Energie an, wird diese über einen entsprechend günstigen Tarif dem Endkunden angeboten, der daraufhin beispielsweise energieintensive Geräte in betrieb setzen kann. Dadurch optimiert der Endkunde seine Stromrechnung und gleichzeitig wird das Netz entlastet.
Dies ermöglicht dem Kunden einen ökonomischeren Stromverbrauch: Er kann seine Zähler dahingehend programmieren, dass sie einzelne Geräte mit hohem Stromverbrauch im Haushalt zu Zeiten hoher Energieeinspeisung aktiv ansteuern. Intelligente Zähler für Privathaushalte sind bisher allerdings nur begrenzt praktikabel, da sie recht teuer sind und die Infrastruktur der Energieversorger häufig noch nicht mit den technischen Möglichkeiten von Smart Metern mithält.
Grafik 2: Mittels App kann der Stromverbrauch unkompliziert jederzeit abgerufen werden bzw. energieintensive Geräte können eingeschaltet werden.
Mit Solaranlage und Smart Meter Energieeffizienz erhöhen und Geld sparen
Experten setzen daher vor allem auf eine dezentrale Energieversorgung: Strom soll dort erzeugt werden, wo er verbraucht wird. Mit dem Smart Meter kann der Besitzer einer Solaranlage auf dem Dach dank entsprechender Apps beziehungsweise einer intelligenten Steuerung, die energieintensive Geräte (z.B. der Waschmaschine) ein- und ausschaltet, unkompliziert Verbrauchslasten in Zeiten hoher Energieproduktion mittels Wettervorhersage verschieben. So spart er Geld, entlastet das Netz und schont durch effizienten Energieverbrauch die Umwelt.
Forschungsprojekt Smart Grid Solar im Landkreis Hof
Auch für die Wissenschaft ist Smart Grid ein interessantes Arbeitsgebiet. Das Bayerische Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern) koordiniert seit Ende 2012 das Forschungsprojekt „Smart Grid Solar“ [4] im Landkreis Hof (Nordbayern). Ziel des Projekts ist es, durch die optimierte Integration regenerativer Energien die Netzstabilität sicherzustellen und so die Energiewende weiter voran zu treiben. IBC SOLAR [5] ist einer der Projektpartner für den Modellversuch, der unter anderem die Einbindung von Speichern für Solarstrom in die Ortsnetze untersucht.
Solarenergie eignet sich besonders für die Projektarbeit, da der Hauptanteil der Belastung über kleine bis mittlere Solaranlagen auf der niedrigsten Netzebene eingespeist wird. Allein in Bayern wird mehr als die Hälfte des PV-Stromes aus Anlagen mit einer Leistung kleiner 100 Kilowattpeak gewonnen. Um die Niederspannungsnetze zu entlasten und eine zukunftsfähige Energieversorgung zu gewährleisten, setzen Projekte wie „Smart Grid Solar“ auf dezentrale Lösungen, die ein intelligentes Zusammenspiel aller Komponenten im Netz fokussieren. Ziel dieses Forschungsprojekts ist es herauszufinden, wie Strom aus erneuerbaren Energiequellen möglichst effizient gespeichert und in die öffentlichen Stromnetze eingespeist werden kann. Das Projektteam arbeitet hierzu vor allem mit Computermodellen, welche das bestehende Netz möglichst realitätsgetreu abbilden sollen. Hierzu werden bereits Ende 2013, beziehungsweise Anfang 2014, eine Reihe von Komponenten wie Batteriespeicher, PV-Systeme, regelbare Verbraucher und entsprechend notwendige Messtechnik in ausgewählten Netzbereichen in den Städten Hof und Arzberg installiert. Das Projekt „Smart Grid Solar“ ist Teil des Entwicklungsprogramms „Aufbruch Bayern“ und wird durch das Bayerische Wirtschaftsministerium und durch die Europäische Union über den Europäischen Fonds für regionalen Entwicklung (EFRE) gefördert.