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Blogserie „Gewerblicher Eigenverbrauch“ Teil IV: Eigenverbrauch optimieren – Einfluss von Ost-West-Ausrichtung und Anlagengröße

Logo_Blogserie Gewerblicher Eigenverbrauch_FINAL [1]Im Rechenmodell der Einspeisevergütung war die Ausrichtung und Größe der Anlage kein größerer Diskussionspunkt, galt es doch, den größtmöglichen Ertrag zu erreichen. Dieses Optimum für Deutschland heißt 30° Neigung bei idealer Südausrichtung. Anders gelagert ist die Situation beim Eigenverbrauch. Hier ist die Optimierung vor allem von einer zeitlichen Übereinstimmung bei der erzeugten und der verbrauchten Energiemenge abhängig. Daher kann es für Planer sinnvoll sein, mit der Ausrichtung und Größe der Anlage zu experimentieren. Dieser Blogbeitrag stellt verschiedene Varianten im Rechenbeispiel einander gegenüber.

Um die Einflüsse der Parameter „Ausrichtung“ und „Anlagengröße“ sichtbar zu machen, werden für alle folgenden Rechenbeispiele diese Rahmenparameter verwendet:

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Bild 1: Rahmenparameter als Berechnungsgrundlage

Auswirkung der Anlagengröße
Bei der Auslegung der Anlagengröße ist es nun das Ziel, die Kurve des Stromverbrauchs im Gewerbe (Lastprofil [3]) so gut wie möglich in Deckung zu bringen mit der Stromerzeugung durch die PV-Anlage. In den folgenden Abbildungen stellt der jeweils orange gefärbte Bereich zum einen die Erzeugungskurve einer PV-Anlage von 40 kWp dar (Bild 2), zum anderen die Erzeugungskurve einer PV-Anlage mit der Anlagengröße von 11 kWp (Bild 3). Beide Erzeugungsprofile werden nun mit der Lastkurve des Gewerbebetriebs mit dem oben definierten Verbrauch in Deckung gebracht.

Die Schnittmenge der Erzeugungskurve mit dem Verbrauch ist grün dargestellt und wird als natürlicher Eigenverbrauch definiert. Anhand der beiden Abbildungen wird schon optisch deutlich, dass die kleinere Anlage mit 11 kWp eine deutlich höhere Eigenverbrauchsquote (Verhältnis grün zu orange) hat.

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Bild 2: Erzeugungskurve versus Lastkurve einer 40 kWp PV-Anlage
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Bild 3: Erzeugungskurve versus Lastkurve einer 11 kWp PV-Anlage

In Zahlen ausgedrückt wird die Situation noch deutlicher. Die Kalkulation über ein gesamtes Jahr zeigt, dass die Eigenverbrauchsquote im Falle der 40 kWp-Anlage bei 24 % liegt, wohingegen die 11 kWp-Anlage eine Eigenverbrauchsquote von 62 % hat. Dies bedeutet für die betriebswirtschaftliche Kalkulation, dass zur Refinanzierung der kleineren PV Anlage ein wesentlich höherer Anteil aus den eingesparten Stromkosten (0,21 €/kWh) herangezogen werden kann. Bei der 40 kWp-Anlage muss der Großteil der Refinanzierung hingegen über die Einspeisevergütung von 0,13 €/kWh geschehen und dementsprechend verhält sich auch die Rendite. Der IRR (Interner Zinsfuß) der kleinen Anlage beträgt 18%, der IRR der großen Anlage beträgt in diesem Beispiel 11%. Der Vorteil der größeren Anlage ist jedoch, dass die absolute Ersparnis des Strombezugs in kWh über die Betriebsjahre hinweg fast doppelt so hoch ist wie bei der kleinen Anlage. An diesem Beispiel wird sichtbar, welchen Einfluss die Anlagengröße auf den Eigenverbrauch haben kann. Die Entscheidung, ob ein prozentualer Vorteil (IRR) gewünscht oder doch der absolute Wert (Ersparnisse im Strombezug) für die Investitionsentscheidung verwendet wird, verbleibt natürlich beim Kunden.

Auswirkung der Anlagenausrichtung
Ein weiterer Punkt, bei dem der Anlagenplaner insbesondere im Gewerbebereich genauer hinschauen muss, ist die Ausrichtung der PV-Anlage. Viele Unternehmen verfügen über Flachdächer und somit über die größtmögliche Flexibilität hinsichtlich der Ausrichtung.

Bild 4 zeigt eine ideale Produktionskurve eines mit 30° nach Süden geneigten Systems (rot) im Vergleich zu einer Ost-West-Anlage (blau) mit einer Modulneigung von 10°.

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Bild 4: Produktionskurve Süd- vs. Ost-West-System

Es wird deutlich, dass die Ost-West-Anlage schon viel früher am Tag Strom produziert und im Vergleich zur Süd-Anlage auch in den Abendstunden länger produziert. Zur Mittagszeit ist die Produktionsspitze der Ost-West-Anlage etwas reduziert und bei einer genaueren Betrachtung ist auch die erzeugte Gesamtenergiemenge beim Ost-West-System etwas geringer im Vergleich zum Süd-System. In Zahlen ausgedrückt ergibt sich (in Bezug auf die oben genannten Rahmenparameter) folgendes Ergebnis:

Ertrag Süd-System: 960 kWh/kWp          –>           Eigenverbrauchsquote: 24,6%

Ertrag Ost-West-System: 864 kWh/kWp             –>        Eigenverbrauchsquote: 26,7%

Hier wird deutlich, dass die Eigenverbrauchsquote durch die Ausrichtung der Anlage beeinflusst werden kann. An diesem Beispiel ist jedoch auch ersichtlich, dass die Erträge pro installiertem kWp bei einer Ost-West Anlage um ca. 10% gegenüber der Süd-Anlage reduziert sind. Dies führt unter der ursprünglichen Betrachtung einer garantierten Einspeisevergütung mit Volleinspeisung zu einer verminderten Wirtschaftlichkeit.

Im Umkehrschluss steigen auch im Eigenverbrauchsmodell die Stromgestehungskosten um ca. 10%. In absoluten Zahlen heißt das jedoch, dass die tatsächlichen Stromgestehungskosten von 0,1248 €/kWh (siehe Beitrag Stromgestehungskosten [7]) auf 0,14 bis 0,15 €/kWh steigen. Da dieser Wert jedoch immer noch deutlich unter dem Strombezugspreis von 0,21 €/kWh liegt, macht es auf jeden Fall Sinn, die Ost-West-Ausrichtung im Vorfeld zu prüfen. Außerdem kann man bei Ost-West-Systemen die installierte Leistung nahezu um den Faktor 2 erhöhen und somit möglicherweise wesentlich mehr Bezugsstrom sparen. Dadurch sind Ost-West-Systeme in der Gesamtbetrachtung häufig wirtschaftlicher als reine Süd-Systeme.

Die Beispiele verdeutlichen, dass die Denkweise zur Dimensionierung einer PV-Anlage im Geschäftsmodell des gewerblichen Eigenverbrauchs sehr verschieden zu den Denkansätzen der Volleinspeisung ist. Jedoch ist es für Planer ebenso wie für Nutzer absolut notwendig, diesen Paradigmenwechsel zu vollziehen, wenn sich die Photovoltaik in einem marktwirtschaftlichen Umfeld erfolgreich behaupten soll!

Vorschau Teil V: Möglichkeiten von Lastmanagement und Speicher