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70%-Leistungsbegrenzung im EEG 2012 – Dächer im Vergleich

Am 29. März 2012 hat der Bundestag das Gesetz zu den Änderungen im Recht der erneuerbaren Energien verabschiedet. Mit dem geänderten EEG sind ab sofort neue Richtlinien bei der Planung einer Photovoltaikanlage zu beachten. Neue Vorgaben gibt es im EEG 2012 § 6 zum Thema Einspeisemanagement. Falls sich im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens und der Verabschiedung im Bundesrat am 11. Mai keine weiteren Änderungen für das Einspeisemanagement ergeben, gilt für die Umsetzung der neuen technischen Anforderungen bei Anlagen, die kleiner sind als 100 kWp, eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2013.

Wir möchten in diesem Beitrag technische Lösungen für diese Anforderung diskutieren. Im Speziellen geht es um die Variante, PV-Anlagen bis zu einer Nennleistung von 30 kWp über die 70%-Leistungsbegrenzung ohne weiteren technischen Aufwand EEG-konform ans Netz zu bringen. Kurz zur Erklärung: die 70%-Regel sagt aus, dass die Einspeisewirkleistung am Netzverknüpfungspunkt auf 70% der installierten Modulleistung begrenzt wird.

Der Gesetzgeber möchte damit sicherstellen, dass das öffentliche Stromnetz bei hohen Einspeiselasten von PV-Anlagen stabil bleibt und nicht überlastet ist. Die Alternative zur 70%-Abregelung bei kleinen PV-Anlagen bis 30 kWp wäre die Installation einer relativ teuren Leistungssteuerung bei den Wechselrichtern mit Datenkommunikation und Funkrundsteuerempfänger.

Wird stattdessen die maximale Einspeiseleistung auf den erwähnten Wert begrenzt, haben PV-Anlagen auf Ost- oder Westdächern einen entscheidenden Vorteil gegenüber optimalen Süddächern – der Begrenzungsfaktor wirkt sich bei ihnen weniger stark aus. Folgende Grafik zeigt die relativen Tageskurven der Einspeiseleistung einer PV-Anlage mit Süd- bzw. Westausrichtung.

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Bild 1: AC-Leistungskurve einer PV-Anlage mit West- bzw. Südausrichtung und 70%-Grenze

Neben den Leistungskurven der beiden Wechselrichter – die blauen Linien – ist in Bild 1 die 70%-Grenze als rote Linie dargestellt. Wie man im Diagramm erkennt, liegt am Nachmittag die Leistung des dunkelblauen Westgenerators knapp über der roten Grenzlinie. Im Gegensatz dazu übersteigt die nach Süden ausgerichtete PV-Anlage mit der hellblauen Linie die 70%-Grenze erheblich höher und dies über einen längeren Zeitraum. Bei einer Begrenzung der AC-Leistung beider Wechselrichter auf die neue Normvorgabe, hätte am 28.08.2011 der Ertragsverlust des West-Wechselrichters (blaue Fläche) 1,2% und der des Süd-Wechselrichters (hellblau schraffierte Fläche) 4,3% betragen.

Nun stellt sich die Frage, wie sich der Ertragsverlust bei den beiden Installationsszenarien – Süd contra West – über mehrere Monate beziehungsweise im Jahresdurchschnitt darstellt. Um einen Überblick zu erhalten, haben wir die Betriebsdaten einer PV-Anlage am Standort Kleinleitzkau in Sachsen-Anhalt ausgewertet. Die Ertragswerte von März bis Dezember 2011 wurden von der installierten Anlagenüberwachung geliefert.

In der nachfolgenden Tabelle sind die detaillierten Daten dieser PV-Dachanlage aufgeführt. Auf dem Gebäude wurden die  Solargeneratoren in den drei Dachausrichtungen (Ost, Süd und West) mit einer jeweils identischen Neigung von 16° installiert. Diese Dachneigung ist speziell für Ost- / Westdächer optimal hinsichtlich der Ertragsausbeute.

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Bild 2: PV-Anlage Kleinleitzkau

 

Zur Berechnung möglicher Verluste aufgrund der 70%igen Leistungsbegrenzung sind wir folgendermaßen vorgegangen: Anhand der Jahreszeitreihe 15-minütiger AC-Leistungswerte wurde bei insgesamt sechs Wechselrichtern – drei davon sind mit Solarmodulen in Ost- und drei mit Modulen in Westausrichtung verbunden – die Ausgangsleistung auf 70% der Modulleistung reduziert.

 

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Bild 3: PV-Anlage in Ost- und Westausrichtung – reelle Monatserträge 2011 und theoretische Erträge bei 70%-Abregelung der Wechselrichter

 

Ergebnis und Vergleich: Die jährlichen Verluste, die entstehen würden, wenn die AC-Leistung der analysierten Wechselrichter auf das 70%-Level eingestellt würde, beträgt im Jahresmittel 2011 akzeptable 2,4% auf der Ost- wie auf der Westseite. Da in den Monaten Oktober, November und Dezember keine nennenswerten Verluste aufgrund der Abregelung entstehen, ist anzunehmen, dass auch in den Monaten Januar und Februar, von denen keine Betriebsdaten zur Verfügung standen, die Leistung nicht reduziert wird.

Aufgrund der flacheren Dachneigung von 16° weisen die Süddächer am Standort Kleinleitzkau bei einer 70%-Abregelung ähnliche Verluste wie die Ost- / West-Wechselrichter auf. Sind dagegen Süddächer mit einer optimalen Neigung im Bereich 30° ausgeführt, so liegen die jährlichen Verluste mit 70%-Abregelung nach ersten Simulationsrechnungen im Bereich 3 bis 5%, je nach Standort.

Eine weitere Verringerung von Verlusten durch die 70%-Abregelung kann durch Eigenverbrauch erreicht werden. Durch eine intelligente Steuerung von Haushaltsverbrauchern bzw. Energiespeicherung bei gleichzeitiger Regelung der Wechselrichterausgangsleistung könnte das PV-System so betrieben werden, dass es zu keinem Zeitpunkt mehr als 70% der installierten Modulleistung am Netzverknüpfungspunkt einspeist. Hierzu besteht allerdings noch technischer Entwicklungsbedarf.

Autor: Markus Maier (ehem. Teamleiter O&M Services)