Die Solarbranche ist derzeit kräftig unter Druck. Bis zu 35% möchte die Bundesregierung die Förderung für Solarstrom im Jahr 2012 noch kürzen, mit dem erklärten Ziel, den jährlichen Zubau auf weniger als ein Drittel zu drücken. Wirklich überraschend kamen diese Einschnitte nicht. Ohne das Unglück in Fukushima wären sie vermutlich schon ein Jahr früher erfolgt. Für mehr als 35 Gigawatt Photovoltaik sieht die Bundesregierung nämlich in ihrem Energiekonzept in den nächsten 10 Jahren keinen Platz. 25 Gigawatt, was einer Leistung von gut 20 Atomkraftwerken entspricht, waren bereits Ende 2011 in Deutschland installiert. Bei gleichbleibendem Zubau wären die 35 Gigawatt schon 2013 erreicht worden.
Ganz ohne Bedacht, wurde das 35-Gigawatt-Ziel nicht gewählt. Es stellt eine technische Grenze dar. Wird mehr Solarenergie installiert, lassen sich die Braunkohle- und Kernenergie-Grundlastkraftwerke der großen Energieversorger immer schwieriger betreiben. Jedes zusätzliche Gigawatt an Photovoltaik verdrängt dann früher oder später die entsprechende Braunkohle- oder Kernenergieleistung. Aus Sicht des Klimaschutzes und des gewünschten schnellen Kernenergieausstiegs wäre diese Entwicklung durchaus sinnvoll. Für die großen vier Energieversorger wäre das hingegen eine Katastrophe, die ihre Geschäftsgrundlage zerstört und möglicherweise sogar den Konkurs bedeuten könnte. Sie verfügen nämlich nur über eine sehr magere Zahl an zukunftsfähigen Kraftwerken.
Daher wurde in den letzten Monaten hinter den Kulissen massiv gegen einen weiteren schnellen Ausbau der Solarenergie opponiert. Kaum ein Argument war dabei zu schade. Größere Teile der Presse bissen an und stürzten sich in den letzten Monaten auf die vermeintlich dunklen Seiten der Solarenergie. Dies machte es den Gegnern der Energiewende in der Bundesregierung leicht, die Kürzungen der Solarenergie durchzudrücken und damit den stark unter Druck geratenen großen Energieversorgern Zeit zu verschaffen. Dass sie mit derartigen politischen Aktionen den beschlossenen Kernenergieausstieg gefährden oder das Erreichen künftiger Klimaschutzziele torpedieren ist dabei zweitrangig. Es geht dabei um die Systemfrage: Setzen wir weiter auf die großen Energieversorger mit ihren schwer regelbaren Kohle- und Kernkraftwerken oder verändern wir uns hin zu einer dezentraleren, klimaverträglichen Energieversorgung mit einem hohen Anteil regenerativer Energien und vielen anderen Akteuren. Beides geht nicht zusammen. Daher kommt es nun zum Show-Down: Solarenergie versus Kohle- und Atomlobby. Die Solarenergiekürzung ist erst einmal ein Schlag zugunsten der klassischen Energiewirtschaft.
Ein Happy End ist für die Kohle- und Atomlobby dennoch nicht zu erwarten. Die Argumente sprechen ganz klar gegen sie: Niemand möchte heute wirklich noch Technologien, die über atomare Risiken oder den nicht mehr verantwortbaren Ausstoß von enormen Mengen an Klimagasen die Lebensgrundlagen unserer Kinder massiv gefährden. Außerdem ist die Solarenergie gerade dabei, die klassischen Kraftwerke auch bei den Stromkosten links liegen zu lassen. Bereits in diesem Jahrzehnt werden Solarkraftwerke in vielen Ländern der Erde Strom billiger als ihre fossilen oder atomaren Konkurrenten produzieren können.
Um wirklich den Aufbruch in das regenerative Zeitalter zu schaffen, muss aber die gesamte Stromwirtschaft massiv umgestaltet werden. Neben dem noch schnelleren Zubau regenerativer Kraftwerke sind dringend neue Speicher und schnell regelbare Reservekraftwerke auf Gasbasis nötig. Die Bundesregierung hat zwar die Energiewende beschlossen, aber kaum wirksame Schritte zur Errichtung dieser Technologien eingeleitet. Die Versorgungssicherheit in Deutschland könnte künftig darunter deutlich leiden. Dies liegt dann aber ganz klar nicht am Ausbau der Solarenergie, sondern weil die Energiewende nur halbherzig gewollt wird und die Regierung immer noch schützend ihre Hand über wenig reformfähige Großkonzerne hält. Die Solarbranche und die Bevölkerung haben es aber in der Hand, die Energiewende zu erzwingen. Wenn jetzt der eine oder andere die Renditeerwartungen ein wenig zurückschraubt und politischer Druck aufgebaut wird, lassen sich weiter viele Solaranlagen errichten und damit die konventionellen Kraftwerke aus dem Netz drängen. Dann geht die Strategie zum Weiterbetrieb der Kohle- und Kernkraftwerke nicht auf, und wir können unseren Kindern doch noch sehr schnell eine sichere und nachhaltige Energieversorgung hinterlassen.
Der Autor:
Prof. Dr. Volker Quaschning ist Sprecher des Studiengangs Regenerative Energien an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin. Er ist Autor mehrerer erfolgreicher Fach- und Sachbücher und betreibt die Webseite www.erneuerbare-energien-und-klimaschutz.de [2]