Am vergangenen Wochenende hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Frage nach einer Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken erstmals konkrete Zahlen genannt. 10 bis 15 Jahre seien „vernünftig“; den Ausstieg aus dem Ausstieg hält sie jedoch nur für möglich, wenn er „zustimmungsfrei“ sei, der Bundesrat also kein grünes Licht geben muss. Merkel bezieht sich in ihrer Einschätzung zu den Laufzeiten auf ein Gutachten [1] des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI) [2]. Dieses gilt auch als Basis des Energiekonzepts [3], das die Bundesregierung in wenigen Wochen vorlegen will.
Die Debatte um die Kernkraft erhält durch die Aussage einen neuen Schub. Seit einigen Tagen streiten sich Ökonomen, Industrie und Politik über eine mögliche Laufzeitverlängerung – sichtbar wurde dies zuletzt in zahlreichen Tageszeitungen und Magazinen. In ganzseitigen Anzeigen [4] sprachen sich mehr als 40 Manager in einem „energiepolitischen Appell“ [5] unter anderem gegen eine Brennelementesteuer und für eine Verlängerung der Laufzeiten von AKWs aus.
Immerhin, die Unterzeichner setzen ihren Namen auch unter das Statement „Die Zukunft gehört den Erneuerbaren“. In dieser Frage zeigt man sich einig und erkennt an, was längst gesellschaftlicher Konsens [6] ist.
Die Frage ist nur, wie wir einen kontinuierlich steigenden Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung erreichen wollen. Ein Ausstieg aus dem Atomausstieg könnte die Anreize für die Energieversorger, die Stromnetze auszubauen verringern. Hier wurde ohnehin in der Vergangenheit zu wenig investiert. Und das, obwohl die Energieversorger sich nicht beklagen können: Allein E.on und RWE erzielten im ersten Halbjahr 2010 einen Gewinn von zusammen mehr als neun Milliarden Euro [7].
Doch wohin gehen diese Überschüsse? In den lange notwendigen Netzausbau jedenfalls nicht. Auch an die Verbraucher wurden diese Gewinne nicht einmal anteilig als Entlastung bei den Stromausgaben weitergegeben. Seit Jahren kennt der Strompreis nur eine Richtung: nach oben. Ganz anders sieht das, entgegen aller Vorhaltungen der Atomlobby, bei den Erneuerbaren Energien aus: Sie werden immer wettbewerbsfähiger und werden in absehbarer Zeit dazu beitragen, den Strompreis zu drücken und eine zuverlässige Energieversorgung sicherzustellen. In North Carolina ist dies schon der Fall. Eine Studie der Duke University zeigt, dass Solarstrom in North Carolina „bereits jetzt billiger [8] ist als der Strom aus neuen Atomkraftwerken“.
Eine weitere Frage, die sich mit Blick auf das Energiekonzept und die Zukunft des Energie-Mixes stellt, ist die Endlagerproblematik. Schließlich wurde der Ausstieg aus der Atomkraft ursprünglich auch vor diesem Hintergrund beschlossen. Diese Frage ist nach wie vor nicht geklärt, auch wenn in Diskussionen zum Thema zahlreiche Abgeordnete zu Geologie-Experten avancieren. Wie hoch die Folgekosten für eine Laufzeitverlängerung sein werden, ist weiter offen [9].
Die Kosten für den Ausbau der Photovoltaik kommen dagegen mehr als bescheiden daher – und werden zudem von allen Verbrauchern im Umlageverfahren getragen. Umgekehrt profitieren alle Verbraucher mittel- und langfristig von einer dezentralen Energieerzeugung: Die Kosten für Photovoltaik sinken seit Jahrzehnten, für die kommenden Jahre rechnen Experten mit weiteren Preissenkungen. Die Erneuerbaren Energien entwickeln sich außerdem mehr und mehr zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor für Kommunen, wie aus einer aktuellen Studie [10] hervorgeht: Die Forscher taxieren die Wertschöpfung auf Gemeindeebene für 2009 auf insgesamt 6,6 Milliarden Euro, auf die Photovoltaik entfallen dabei rund 2,4 Milliarden. Nicht zuletzt tragen maßgeblich die Erneuerbaren Energien dazu bei, die Klimaziele zu erreichen. All das sollte bedenken, wer das Energiekonzept für Deutschland mitgestaltet.